Mittwoch, 23. September 2009

Hausaufgaben

Unser Sohn hat einen Strich bekommen. Nicht, dass er ein Ausbund an Tugend wäre - doch diese Geschichte hat mich irritiert: Nicht nur er, sondern fast die komplette siebte Klasse hat einen Strich bekommen. Für die Kunst-Hausaufgaben. Nicht, weil sie diese nicht gemacht hätten, sondern weil sie diese FALSCH gemacht haben! Drei Striche bedeuten: eine Sechs in mündlicher Beteiligung.

Wo sind wir denn? Hier werden Hausaufgaben, die per Gesetz der Vor- und Nachbereitung des Unterrichts und zur Einübung dienen benotet? Sie werden gar zur Disziplinierung eingesetzt, was ausdrücklich untersagt ist? Wie arm ist denn das Ego eines Lehrers, der das fertig bringt?

Und: Wenn eine komplette Klasse die Hausaufgaben falsch macht, muss das dann an der Klasse liegen??

Bürokraten

Plötzlich und unerwartet (so etwa wie Weihnachten) verlässt eine Klassenlehrerin unsere Schule in den Mutterschutz. Da dies eben nicht für alle unerwartet war, hatte die Schulleitung einen Plan und eine Kollegin wurde bereits im vergangenen Jahr als Nachfolgerin den Drittklässlern und ihren Eltern vorgestellt und eingearbeitet. Nun wirklich unerwartet erhält diese neue Kollegin in der zweiten Unterrichtswoche des Schuljahres über das Nachrückverfahren eine feste Anstellung in einem anderen Regierungsbezirk angeboten. Diese abzulehnen, hätte für sie ernste Konsequenzen.

Also hängt unsere Schule am Fliegenfänger. Aber unsere Schulleitung ist rührig: ein Diplom-Sportlehrer des örtlichen Sportvereins wird kurzfristig für einen Teil des Sportunterrichts verpflichtet, Unterricht wird umgeschaufelt, neue Stundenpläne erstellt, drei Kolleginnen mit Teilzeitstellen erklären sich spontan bereit, ihre Stundenzahl aufzustocken. Fazit: aus 28 fehlenden Stunden werden 3. Aber: Die liebe Schulaufsicht ist so überlastet, dass die Anträge auf Arbeitszeitverlängerung nicht bearbeitet werden können. Also: zusätzliche Unterrichtsstunden sind eigenes Risiko ohne Entgeltgarantie.

Für mich hört das Verständnis an dieser Stelle endgültig auf. Ebenso wie bei einem Verfahren zur Besetzung von Lehrerstellen, das immer erst während des laufenden Schuljahres endet wenn der maximale Schaden erreicht ist. Ich habe den Eindruck, hier wird das Kind im Brunnen munter zum Systembestandteil gemacht. Wann kriegen diese Bürokraten endlich ihren Hintern hoch und merken, dass sie Dienstleister sind?

Mittwoch, 16. September 2009

Freizeit

6:30 Uhr wecken, 7:10 Uhr das Haus verlassen, 7:15 Uhr mit dem Bus zur Schule fahren.
Anruf um 7:45 Uhr: "Ich habe von der ersten bis zur sechsten Stunde frei, die Stunden fallen aus. Muss dann wieder zur 7.Stunde in die Schule. Ich komme jetzt nach Hause."
Ohne Worte.

Montag, 14. September 2009

Ansprechbar

Erste Sitzung der Klassenpflegschaft im Schuljahr: Stundentafel, Projekte, Klassenkasse, Telefonliste... Uhps, da war es wieder: "Ja, meine Telefonnummer steht auch drauf", sagt der Klassenlehrer, "aber nur für den Notfall." Und was ist denn ein Notfall? "Ich habe den Beweis heute morgen nicht verstanden, könnten Sie noch mal..." ist für einen Schüler sicher ein Notfall. Aber wert, den heiligen Feierabend des Pädagogen zu unterbrechen? So war das sicher nicht gemeint. Gemeint war wohl eher: Was nach der letzten Stunde geschieht, ist mein Privatleben.

Hallo? In einer Zeit, in der bei jedem Angestellten oberhalb des Büroboten fast permanente Erreichbarkeit vorausgesetzt wird, leistet sich jemand solch demonstrativen Eskapismus**? Wie weit geht denn da die Identifikation mit dem Job (von Aufgabe will ich gar nicht erst sprechen)? Wo bleibt den die Chance für ein Zwiegespräch zwischen Schüler und Lehrer abseits der Tribünen Klassenzimmer oder Schulkorridor?

Der eifrige Branchenverband Bitcom würde jetzt rufen: Blackberries für alle Lehrer, vergäße aber beim Händereiben, dass Händeschütteln vielleicht nutzbringender ist. Für mich liegt die Lösung eher in einer vernünftigen Ganztagsschule, die Begegnung und Gespräch, Spiel und Spaß ebensoviel Raum einräumt wie dem Lernen. Natürlich unter Anwesenheit und Ansprechbarkeit der Lehrer.

Das geht nicht in unseren Schulgebäuden. Dort bewegen sich unsere Lehrer, wenn sie nicht im Klassenzimmer sind, in Multifunktionsräumen, die gleichzeitig Pausenhof, Besprechungsraum, Lounge, Kantine, Umkleideraum, Postbüro und Stillarbeitsraum darstellen. Die Einführung einer Ganztagsschule führt - hinsichtlich der räumlichen Ausstattung - nahezu ausschließlich zu Dikussionen über Schülerkantinen. Für mich ist das ein Verstoß gegen das Arbeitsrecht. Wenn man Lehrern einen vernünftigen Arbeitsraum in der Schule bereitstellte, würden sie nach Unterrichtsende wahrscheinlich auch nicht panisch aus dem Gebäude fliehen.
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** Besagter Klassenlehrer ist es übrigens, dessen gepacktes Wohnmobil am letzten Schultag vor den Ferien immer auf dem Lehrerparkplatz zu finden ist...

Freitag, 11. September 2009

Durchsetzungsfähig?

Die übliche Frage ("Was gibt es Neues?"), die übliche Antwort: "Nichts!" Ich lasse nicht locker: "Na, irgendetwas wird doch passiert sein." Daraufhin doch eine Reaktion: "Politik war wie immer doof." - "Wieso?" - "Weil wir da einen Referendar haben, der schrecklich ist." - "Was ist denn so schrecklich an ihm?" - "Der kann sich einfach nicht durchsetzen!"

Überraschend? Gar nicht. Da werden junge Leute vor dreißig junge Leute gestellt und sollen mit ihnen Unterricht gestalten. Die Klasse testet, was sie sich erlauben kann und stellt rasch fest, dass der Neue keine Chance hat. Da frage ich mich doch, was diese Lehreranwärter für diesen Fall mit auf den (Berufs-)Weg bekommen? Sind sie darauf vorbereitet? Haben sie diese Situation im Rollenspiel durchlebt? Oder geht das nach dem Motto: "Werfen wir sie ins kalte Wasser und warten, bis sie schwimmen gelernt haben!"

Oder noch deutlicher: Gehört eine gewisse Durchsetzungsfähigkeit und Bestimmtheit nicht zu den Persönlichkeitseigenschaften, die Lehramtskandidaten mitbringen müssen, um überhaupt auf Schüler losgelassen zu werden?
Offensichtlich nicht...

Dienstag, 8. September 2009

Wie selbstverständlich

Manche Dinge nehmen wir schon als so selbstverständlich an, dass sie uns gar nicht mehr auffallen. Es sei denn, sie funktionieren plötzlich nicht mehr.
"Dad, ich muss was für die Schule ausdrucken. Kann ich dir das mailen?" - "Klar, aber heute fahre ich nicht ins Büro! Für wann brauchst du es denn?" - "Für Morgen." - "Das ist schlecht." - "Und wieso funktioniert unser Drucker nicht mehr?"

Gute Frage. Weil ich selbst nahezu vollständig papierlos arbeite und zu Hause keinen Drucker brauche. Und weil ich mich noch nicht daran gewöhnt habe, dass meine Kinder ausgedruckte Arbeiten mit in die Schule bringen müssen. So fällt mir auf, dass es ja offensichtlich ganz selbstverständlich ist, dass JEDER einen Computer zu Hause hat, eine Verbindung ins Internet und natürlich einen Drucker.
Also habe ich einen neuen Drucker gekauft und installiert. Auch das ist selbstverständlich: JEDER sollte in der Lage sein, solche Geräte einzurichten und zu bedienen.

Sonntag, 6. September 2009

FACH-Didaktik

Unser Viertklässler wird sich in diesem Schuljahr im Sachunterricht mit den Römern beschäftigen. Oder mit den Ägyptern, das ist noch nicht ganz klar. Eine solche Beliebigkeit in der historische Bildung ist bei einem politisch aufgeklärten Mensch, für den ich mich halte, zumindest ein Grund zur Irritation. Aber gut: Geschichte hat in der Grundschule einen exemplarischen, wenn nicht anekdotischen Charakter. So viel habe ich in zehn Jahren gelernt. Was fängt ein Zehnjähriger mit Wissen über die Zeit der Pharaonen an, außer dass er die Erkenntnis gewinnt, dass man auch anders leben kann?

Ein Schuljahr später wird aber dieser Zusammenhang zu einem Ärgernis. Kaum im Gymnasium angekommen, werden unsere Kinder auf die Steinzeit zurück geworfen und dürfen sich dann vorarbeiten – unser Siebtklässler ist nun bei den Kreuzzügen angekommen. Wenn ich nachbohre, was denn hängen geblieben sein mag, kommen ein paar Fakten, doch Zusammenhänge, gar mit unserer Lebenswirklichkeit können nicht gefördert werden. Das Fach folgt, wie leider alle Fächer, einer Fachdidaktik mit der Betonung auf FACH. Didaktisch sinnvoll scheint mir der Lehrplan nicht.

Eine der ehernen, von niemand bezweifelten Grundregeln für jeden Trainer in der Weiterbildung lautet: Man soll seine Teilnehmer dort abholen wo sie stehen. Funktioniert nicht immer, doch selten wird diese Weisheit so bewusst ignoriert wie in der Schule. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Kinder fragen, was denn die Ursachen des Römischen Bürgerkrieges waren oder worin die Besonderheiten einer feudal verfassten Gesellschaft bestanden. Was Kinder aber wissen wollen sind Dinge, die zum Beispiel mit der Vergangenheit von Oma und Opa zusammenhängen. Es könnte doch einfach sein, rückwärts vorzugehen, das Fach von der Erfahrung und den Fragen der Schüler her aufzurollen statt vorwärts, also von den Erfahrungen der längst Gestorbenen her.

Lehrpläne aber folgen der Logik des Faches, nicht den Fragen der Schüler. Die Schule wird die Frage, warum denn Oma (die jetzt 80 wird) seit ihrer Kindheit nicht mehr dort war, wo sie geboren wurde, bestenfalls nach drei bis vier Jahren Gymnasium beantworten. Bis dahin haben viele ihre Fragen wieder vergessen. Kann es nicht sein, dass Schule häufig so wenig Interesse bei denen weckt, die sie erdulden müssen, weil sie ihnen auch inhaltlich so fern ist? Weil Lehrpläne nie vom Schüler her gedacht werden? Und ist das nicht eigentlich in allen Fächern so? Ich kann mich erinnern, dass ich immer dann von Lehrern begeistert war, wenn diese mein Interesse wecken konnten. Wecken, weil es schon da war und die Lehrer das gemerkt haben.

Zum Glück ist nicht alles verloren: Zu den Dingen, die der Viertklässler in diesem Schuljahr erleben wird, gehört auch eine Rallye durch unseren Stadtteil. Dabei müssen die Schüler in Gruppen Fragen zu überall sichtbaren Artefakten bearbeiten. Dabei lernen sie viel über die Geschichte dessen, was sie täglich umgibt – und das mit Spaß. Die Rallye wird übrigens nicht von Lehrern veranstaltet, sondern von Mitgliedern des rührigen Heimatvereins...

Samstag, 5. September 2009

Experimentelle Lehrmethoden

Der Klett-Verlag drängt in die Schulen, aber nicht mehr nur mit Schulbüchern, sondern als Dienstleister für Unternehmen. Er will diesen helfen, mehr Interesse für die MINT-Fächer zu wecken, denn Deutschland geht der Nachwuchs in den technisch-naturwissenschaftlichen Fächern aus. (Quelle: Financial Times Deutschland, 17.6.2009 S. 15)

Ein Ansatz: Es sollen mehr Informationen über Berufe in den Unterricht eingebunden werden. Ein wirklich guter Ansatz, finde ich, nur werden da die Pädagogen wieder um ihre Unabhängigkeit bangen und Manipulationsversuche der Wirtschaft wittern. Der andere Ansatz: Man möchte Lehrern mehr Fortbildung in experimentellen Lehrmethoden ermöglichen. Das finde ich erst recht gut. Erinnert mich an die Frage, die meine Tochter vor längerer Zeit in Physik zum Hebelgesetz hatte. Bin kein Physiker, war aber fassungslos, dass sie über das Gesetz nur theoretisch gesprochen und per Formel angewandt hatten. Ein kleiner Versuch mit einer alten Dachlatte und einem Zielelstein im Hof führte dazu, dass der Groschen sofort fiel.

Wer das nicht zur Hand hat, findet nette Anwendungen zum Hebelgesetz bei Walter Fendt.

Freitag, 4. September 2009

Sternstunde

Heute kam mein Sohn nach Hause und erzählte völlig begeistert von seiner Physikstunde. Sein Lehrer war vom Thema abgekommen und hatte über das Universum, die Galaxien, Milchstraßen, Sterne, die um ein Vielfaches größer als die Sonne sind und unendliche und unvorstellbare Weiten erzählt. Dass es möglich ist, dass ein Stern, den wir heute sehen, längst nicht mehr existiert, aber wir das erst in 600 Jahren erkennen können, weil das Licht so lange braucht, bis es uns erreicht.

"Das war total cool, hat super Spaß gemacht." Ein herzliches Dankeschön an diesen Lehrer. Auch wenn das vielleicht nicht der geplante Unterrichtsstoff war - wie schön ist das, wenn Kinder nach Hause kommen und echte Faszination für ein Thema zeigen.

Donnerstag, 3. September 2009

Kunstunterricht

Gleich bei meinem ersten Post zögere ich. Meine Tochter erzählt mir, dass sie im Kunstunterricht seit fünf Stunden Vorlesungen zu einem bekannten Maler hört. Wobei Vorlesungen wörtlich zu verstehen ist. Die Kunstlehrerin referiert das Leben des Malers, die Schüler sind gehalten, mitzuschreiben.

Warum zögere ich? Auf der einen Seite denke ich: Warum lässt man die Schüler sich diese Informationen nicht selbst erarbeiten? Wieso halten nicht die Schüler Referate und erklären sich gegenseitig, wie Leben und Wirken des Malers zusammenhängen? Was für eine Art "Unterricht" ist das?

Dann aber erinnere ich mich, dass ich in der Schule einen Deutschlehrer hatte, dem es gelang, mir den Zusammenhang zwischen der Epoche, dem Leben der Autoren und ihren Werken zu vermitteln. Plötzlich konnte ich Literatur aus einer anderen Perspektive betrachten. Sollte das hier auch Sinn und Zweck der "Übung" sein?

Aber selbst wenn das so ist: Darf Unterricht heute noch aus Vorlesungen und "Mitschreiben" bestehen??