Sonntag, 3. Oktober 2010

Schülerpraktikum

Mein Sohn absolviert zur Zeit ein Schülerpraktikum. Zu meinem Erstaunen hatte er sich für einen handwerklichen Beruf entschieden, und wir waren froh, als wir eine angesehene Schreinerei fanden, die ihn aufnahm. Was für ein Fehler. Vom ersten Tag an kümmerte sich niemand um ihn, bis auf wenige kleinere Aufgaben blieb er sich selbst überlassen. Auf Nachfrage bei den Mitarbeitern erhielt er zur Antwort, dass sie keine Arbeit für ihn hätten. Was dazu führte, dass er herumsaß und die Zeit totschlug. Was wiederum dazu führte, dass der Chef ihn anfuhr, er solle nicht herumsitzen. Auf seine Bitte, ihm Aufgaben zu geben, erhielt er zur Antwort, dass er sich "vordrängeln" solle – womit gemeint war, sich Arbeit bei den Mitarbeitern zu verschaffen. Mit dem oben erwähnten Resultat.

Er entschied sich, das Praktikum abzubrechen. Wir haben eine neue Stelle bei einem anderen Handwerker gefunden, der in der Lage ist, Schülerpraktikanten Tätigkeiten zu übertragen, die einen Einblick in den Beruf ermöglichen. Damit war das Thema für mich durch. Allerdings erhielt ich nun einen Brief, in dem der Inhaber der Schreinerei an die Schule schrieb, dass mein Sohn keinerlei Interesse gezeigt hätte für die Vorgänge im Betrieb. Wörtlich heißt es: "Alle Praktikanten werden bei uns - so weit wie möglich - mit in die Arbeitsabläufe eingebunden oder haben die Möglichkeit bei einem unserer Gesellen aufmerksam die Abläufe mit zu beobachten/Handreichungen zu machen." Interessante Formulierung, die letztlich bedeutet: "Stell dich neben unsere Gesellen und schau ihnen zu - aber setz dich dabei nicht hin."
Achja: Zu den Handreichungen gehörte Werkstatt kehren, Erbrochenes aufwischen und Geschirr spülen. Klingt nach einem klassischen Schülerpraktikanten-Job, oder?

Bei allem Frust: Eine lehrreiche Erfahrung, wie es in kleineren Betrieben zugehen kann, dürfte es trotzdem gewesen sein. Meine Dankbarkeit hält sich aber in Grenzen.

Dienstag, 10. August 2010

Einen Lehrer kaufen?

Statt eines Kommentars möchte ich das von Johannes im letzten Post verwendete Bild vom Unternehmen Schule noch einmal beleuchten. Ein Schulleiter ist kein Unternehmensleiter, sondern vielleicht Leiter einer Abteilung. Lehrer sind Landesbeamte mit entsprechenden Pflichten und vor allem Rechten. Deshalb wird eine Unternehmensleitung (= Landesregierung) auch nie alle Verantwortung aus den Händen geben.

Wie ich dem Aufruf des Jena'schen Fördervereins entnehme, hat der betreffende Lehrer die Einstellung im vergangenen Jahr abgelehnt, deshalb ist er auf der Prioritätenliste abgerutscht. Welches private Unternehmen würde jemanden einstellen, der sich weigert, die übliche Klausel zu unterschreiben, mit der die Unternehmensleitung sich ein Recht auf Versetzung sichert?

Ich kenne die Verhältnisse in Thüringen nicht, aber ich denke, dass der Fall so in NRW nicht passiert wäre. Weiter im Bild: In welchem Unternehmen können Abteilungsleitung (Schuldirektor), Belegschaft (Kollegium) und Kunden (Eltern und Schüler) gleichberechtigt mitentscheiden, wer eine freie Stelle bekommt? In NRW werden freie Lehrerstellen fast nur noch über die von der Regierung Steinbrück eingeführten "schulscharfen Ausschreibungen" besetzt. Dass ein Bewerber sich dabei dem Wettbewerb stellen muss, ist doch in Ordnung. Und in welchem Unternehmen müssen Belegschaft und Kunden über die Besetzung einer Abteilungsleiterposition (=Schulleitung) entscheiden? Wohl nur in (staatlichen) Schulen.

Ich bin auch der Meinung, es ist nicht der richtige Weg, Verantwortung für schulisches Geschehen von einer zentralen Behörde zu einer lokalen zu verschieben. Die Gestaltung des Schulgeschehens gehört in die Hände der Betroffenen, also der Schulgemeinde. Zum Glück für NRW wird dieser Weg hier schon lange verfolgt. Das gilt auch pädagogisch: Lehrpläne und Standards bestimmt das Land, das pädagogische Konzept die Schulkonferenz. Da hat ein Bürgermeister gar nichts zu suchen.

Einen Lehrer "kaufen" kann (und darf) man nicht. Um eine reguläre Lehrerstelle geht es in Jena wohl auch nicht. Wenn man das mal weiter spinnt: Welche bessere Möglichkeit gäbe es, um die soziale Schieflage unseres Schulsystems nicht nur zu zementieren, sondern sogar auf lokaler Ebene noch erheblich zu verstärken, wenn betuchte Fördervereine einfach Anwärter aus dem System rauskaufen? Da ist die (quantitative) Zuweisung knapper Ressourcen gerechter. Nebenbei: Aus den USA hört man, dass in manchen Gemeinden städtische Angestellte (also Lehrer und übrigens auch Polizisten) gefeuert werden, weil kein Geld da ist.

Samstag, 7. August 2010

Einen Lehrer kaufen

Ich stelle mir vor, ich leite ein Unternehmen, aber ich darf meine Mitarbeiter nicht selbst aussuchen, sondern bekomme sie von einer Zentrale geschickt. Nein, ich beneide Schulleiter nicht. Das ist genau ihre Situation - die Länder entscheiden, wer bei ihnen was und wie unterrichten darf. In Jena will man sich das nicht mehr gefallen lassen, die bekannte Jenaplan-Schule soll nach dem Willen des Bürgermeisters in freier Trägerschaft von der Kommune betrieben werden. "Charter School" heißt diese Schulform in den USA, davon gibt es offensichtlich auch schon welche in Deutschland.
Klar, dass sich das Land windet...

Worüber ich gestolpert bin, sind zwei Sätze in dem Artikel der Financial Times Deutschland: "Wir wollen gar nicht mehr Lehrer", sagt die zukünftige Schulleiterin, "wir wollen andere Lehrer." Gut nachvollziehbar. Und dann gibt es einen Förderverein, der Geld sammelt für die Aktion "Wir kaufen einen Lehrer" - um eben genau den Lehrer zu beschäftigen, den man haben möchte.
Na, wenn das Beispiel Schule macht... (aus: Marion Schmidt: Stadt, Land, Frust, Financial Times Deutschland vom 2.7.2010)

Sonntag, 18. Juli 2010

Professoren auf der Schulbank

An der HTW Berlin müssen neue Professoren zwei Semester lang die Schulbank drücken und lernen, wie man lehrt. Und wie man Prüfungen abhält, den Studenten die Angst vor Prüfungen nimmt und wie man Lehrstoff strukturiert. Und sie werden dafür bezahlt, dass sie sich auch um ihre Studenten kümmern, nicht nur nach der Anzahl der Veröffentlichungen in anerkannten Fachpublikationen.
Keine Garantie dafür, dass ihre Studenten tatsächlich die besseren Lehrer bekommen, aber ein Anfang.... (Quelle: Financial Times Deutschland, 9.6.2010: Professoren auf die Schulbank)

Freitag, 11. Juni 2010

Buch für Lehrer - aber nicht nur für diese...

Auf MWonline hat Winfried Berner schon häufiger Bücher besprochen, die sich mit der Erziehung beschäftigen. Vor allem solche, die aus dem Umfeld der Individualpsychologie stammen. Diesmal hat er ein Werk ausgegraben, das offensichtlich nichts von seiner Aktualität verloren hat. Die Besprechung zieht viele Parallelen zur Aufgabe einer Führungskraft.
Das Buch sei an dieser Stelle allen Lehrern und Menschen empfohlen, die beruflich mit Menschen zu tun haben - und diese wie Menschen behandeln möchten:

Dreikurs, Rudolf / Grunwald, Bernice B. / Pepper, Floy C.: Lehrer und Schüler lösen Disziplinprobleme. Beltz 2007

Donnerstag, 18. März 2010

Strafarbeit


Meinem Sohn ist ein Radiergummi auf den Boden gefallen. Mitten im Unterricht. Wer ihn kennt, kann sich vorstellen, dass die Bergung nicht ohne einen gewissen (auch akustischen) Aufwand vor sich ging. Dass der Lehrer sich gestört fühlt, scheint wahrscheinlich. Aber wie reagiert er? Mit einer Strafarbeit: 100mal den Satz "Auch ich sollte inzwischen gelernt haben, dass Störungen während des Unterrichts zu unterlassen sind:" zu schreiben - das sind genau sechs Seiten.

Wohlgemerkt: das ist nicht vor fünfzig Jahren passiert, sondern vor ein paar Tagen. Ich will nicht darüber klagen, dass der Vorwurf, der in diesem Satz steckt, in sich schon beleidigend ist. Ich will auch nicht darüber nachdenken, dass Strafarbeiten dieser Art in den Schulgesetzen der Länder ausdrücklich oder mindestens dem Geist nach untersagt sind (auch wenn ich diesbezüglich recherchiert habe). Hätte die Strafe gelautet: Halte ein Referat über die Rolle der Generalstände im Vorfeld der Französischen Revolution, wäre mein Zorn ungleich geringer gewesen (und der Eifer meines Sohnes ungleich größer).

Nein, was mich beschäftigt, ist: Wie kann ein Lehrer, der grob gerechnet nicht viel älter als ich selber sein kann, eine Strafe für einen - nicht ganz aufgeklärten - Verstoß verhängen, die ein Menschenbild verrät, dass nicht ganz aus dieser Zeit stammt? Was wird denn geschehen in der Klasse? Eine Disziplinierung vielleicht, aber doch nur im Sinne einer Friedhofsruhe. Mit Sicherheit aber wird das Interesse an einem wichtigen Schulfach nachhaltig geschädigt.

Ich habe die Blätter unterschrieben, nicht ohne einen entsprechenden Kommentar und die Erwartung hinzuzufügen, dass ich erwarte, zukünftig solche Strafarbeiten nicht mehr zu sehen. Wie war die Reaktion? Mir wurde übermittelt, wenn ich Gesprächsbedarf habe, könne ich mich um einen Termin bemühen... Ach, Lehrer!

Dienstag, 16. März 2010

Lernteam Familie

Am Mittwoch, den 17.3.2010 um 10.05 Uhr WDR5 hören: Lernteam Familie: Wie Eltern den Schulerfolg ihrer Kinder fördern können.

Samstag, 6. Februar 2010

Das Huygens'sche Prinzip

Nein, von Elementarwellen verstehe ich nun rein gar nichts. Muss ich? Als Mensch mit Abitur offensichtlich, denn mein Sohn bekommt das in Physik erklärt. Gut, dass mein Bruder Professor für Physik ist und zufällig bei uns zu Besuch. Soll er sich doch damit herumschlagen. Wozu hat man schließlich eine gebildete Verwandtschaft.

Nach einer halben Stunde sind die beiden fertig. Ich frage: "Und? Hat dein Neffe alles verstanden?" Antwort: "So, wie er das erklärt bekommen hat, würde ich es auch nicht verstehen..." Wie bitte? "Es ist eigentlich ganz einfach, die Prinzipien der Wellenlehre zu erklären. Dazu benötigt man sicher nicht das Huygens'sche Prinzip. Das nämlich ist hoch komplex und keinesfalls notwendig, um makroskopische Effekt von Wellen zu verstehen."

Tja, ich verstehe nur Bahnhof. Und frage mich einmal mehr, für wen diese Lerninhalte fabriziert werden? Das ist kein Vorwurf gegen den Physiklehrer, ich vermute mal, der hat das in seinem Lehrplan stehen. Aber wer um Himmels Willen steckt den hinter diesen Lehrplänen? Welcher Physiker ist der Meinung, dass normal begabte Mittelstufenschüler dieses Wissen erwerben müssen?

Sehr interessant übrigens: Mein Bruder meint, das hätte sich seit 40 Jahren nicht geändert. Er hätte das damals auch in der Schule lernen müssen und ebenso kein Wort verstanden. Das könnte die Erklärung sein. "Wir mussten uns damals mit dem Zeugs herumschlagen, warum sollte es den Jugendlichen von heute anders ergehen?"

Samstag, 23. Januar 2010

Biologie zum Abgewöhnen

Ich mag das Fach Biologie. D.h. ich mochte es, soweit ich mich erinnern kann. Hatten wir damals auch solche Schulbücher? Dann mag ich Schulbücher auf keinen Fall.

Zitat: Spross- und Wurzelmeristemzellen enthalten Zellbestandteile, die von einer Doppelmembran umhüllt sind. Es sind Proplastiden. Sie enthalten in ihrer Matrix, dem Stroma, nur wenige Membranstrukturen.

Ich könne hier einen Abschnitt nach dem anderen zitieren. Wer um Himmels willen braucht solches Wissen?

Ein anderes Beispiel: ... Auch Zellwandsubstanzen werden in den Dictyosomen aus Vorstufen zusammengebaut. Beim Sonnentau, einer Fleisch fressenden Pflanze, geht die Bildung des klebrigen Fangschleims auf die Aktivitäten der Dictyosomen zurück.

Prima, damit kann ich wirklich was anfangen. Habe mich schon immer gefragt, wer wohl diesen praktischen Fangschleim produziert. Es sind also die Dictysomen.

Ich würde gerne mal die Verfassern dieser Texte fragen, warum sie der Meinung ist, dass dieses Wissen zur Allgemeinbildung gehört und fleißig gepaukt werden sollte. Irgendetwas müssen sie sich dabei gedacht haben. Nur was?

Ach ja: Das Buch ist im Schroedel Verlag erschienen und heißt: Zellbiologie und Stoffwechselphysiologie

Samstag, 9. Januar 2010

Drastischer Vergleich

Der Artikel, in dem ich über diesen drastischen Ausspruch gestolpert bin, handelt von einer privaten Fachhochschule, der Karlshochschule International University (Financial Times Deutschland, 4.12.2009: Der gelbe Ritter). Es geht um einen "Gegenentwurf zu klassischen Wirtschaftsfakultäten", die der Präsident dieser Universität, ein erfolgreicher Unternehmensgründer, als "Stoff-Bulimie" bezeichnet: "reinschaufeln, auskotzen, vegessen!" Zitat: Wir lernen in sechs Semestern des Bachelorstudiums: Regeln, Regeln, Regeln."

Das ist hart, aber nah an der Wahrheit, oder? Was haben wir uns im Studium sogenanntes Wissen einverleibt, um es nach der Prüfung sofort wieder zu vergessen. Und Schule in der heutigen Form empfinde ich als nur unwesentlich anders.
Wie das mit dem Gegenentwurf in der Praxis ist, weiß ich nicht. Interessieren würde es mich schon...

Freitag, 8. Januar 2010

Betreungsgeld keine gute Idee

Gut gemeint ist noch lange nicht gut gemacht. Laut einem Kommentar in der Financial Times Deutschland (Bildung für Schildbürger) geht ein Vorstandsmitglied der Bertelsmannstiftung mit dem geplanten Betreuungsgeld, das Eltern mit 150 Euro im Monat davon abhalten soll, ihre Kinder unter drei Jahren in eine Kinderkrippe zu stecken, hart ins Gericht. Es ist nämlich erwiesen, dass gerade Kinder aus sozial schwachen Familien oder aus Zuwandererfamilien von dem frühen Krippenbesuch enorm profitieren. Käme das Betreuungsgeld 2013 tatsächlich, würde es dazu führen, dass viele dieser Familien das Geld nehmen und ihre Kinder zu Hause behalten. Was ja auch der Sinn der Sache ist. Aber bildungspolitisch ein Schildbürgerstreich.

Die Familien, die weniger auf Geld angewiesen sind, werden hingegen weiterhin ihre Kinder in Betreuungseinrichtungen schicken - die Ungleichheit in Sachen Bildungschancen werden größer. Es ist wie so oft: Jeder Maßnahme, vor allem Anreizsysteme, führen zu erwünschten und unerwünschten Wirkungen. Diese hier sind bekannt aus ähnlichen Erfahrungen z.B. in Norwegen. Dass Menschen aus den Erfahrungen anderer nur schlecht lernen, wissen wir. Muss das bei Regierungen auch so sein? Ach ja, Regierungen sind auch nur Menschen...

Sonntag, 3. Januar 2010

Die Volkswagenschule

Möchten Sie Ihr Kind gerne auf diese Schule schicken? Es ist eine private Gesamtschule, von der 1. bis zur 12. Klasse, aber Sie müssen keine Gebühren bezahlen. In einer Klasse sitzen nicht mehr als 20 Schüler. Aufgenommen werden Schüler aller Nationalitäten, aber es ist keine Eliteschule, nicht mehr als die Hälfte der Kinder haben Akademikereltern. Wenn mehr Anmeldungen eingehen als Schüler aufgenommen werden, wird gelost. Von der ersten Klasse an wird Wert darauf gelegt, dass die Schüler selbstständig lernen, dafür gibt es Selbstlernphasen neben dem normalen Unterricht. Pausen im klassischen Sinn gibt es nicht. Bei Bedarf gibt es Einzelförderung. Und die Köchin der Mensa hat vorher im Ritz Carlton gekocht...

So etwas gibt es: Die Volkswagenschule. Möglich machen es einige Millionen des Volkswagenkonzern, der diese Schule der Stadt Wolfsburg zum Jubiläum geschenkt hat. Sieh mal an, werden da viele denken. So manch einer wünscht sich eine integrierte Gesamtschule, aber dafür ist kein Geld da. Und dann so was. Ungerecht? Sicher. Aber ungerecht ist die Welt, und besser, ein paar Hundert Schüler kommen in den Genuss einer "reformpädagogischen Schule" als gar keine. Ein bisschen Neid ist erlaubt...