Montag, 26. Dezember 2011

Kaltschnäuzigkeit II

Weihnachtlicher Nachtrag zum Drama:

Nach einem Gespräch mit der stellvertretenden Schulleitung wurde verfügt: Wer besagte Klausur (die mit der Verteilung der Hausarbeiten) wiederholen möchte, könne dies wegen eines Formfehlers tun. Oops, wenn das kein schlechtes Gewissen ist... Bleibt nur zu fragen, ob die Freiwilligkeit der Wiederholung nicht schon wieder ein Formfehler ist.

Anfang des Jahres wird ein Gespräch mit der Schulleitung und der Fachlehrerin stattfinden - zur Erläuterung, vermutlich der Note "ungenügend". Nachdem ich ein wenig in den einschlägigen Richtlinien geblättert habe, hat sich mein Eindruck verstärkt. Ein Schüler, der bisher weder methodisch noch inhaltlich fortgesetzt negativ aufgefallen ist, kann schlechterdings keine Sechs in einer Klausur bekommen - es sei denn, er habe unter geistiger Umnachtung gelitten. Da mir keine derartigen pathologischen Ausfälle bekannt sind, bin ich sicher, dass die Fachlehrerin ihre liebe Not mit der Erläuterung haben wird. Ich bin jedenfalls gespannt.

Freitag, 16. Dezember 2011

Kaltschnäutzigkeit

Heute erfuhr ich eine Geschichte aus dem Bekanntenkreis. Ein junger Mensch, Sohn eines Kollegen, steht kurz vor dem Abitur. Im Fach Deutsch bewegt er sich, intelligent und aufmerksam, aber kein Überflieger, um die Zwei herum. Kürzlich schrieb er eine Klausur, in der es um eine Literaturinterpretation ging. Nun kann man Literatur durchaus unterschiedlich interpretieren - er jedenfalls (wie ein erstaunter Großteil seiner Klasse) - tat dies anders als seine Lehrerin. Das Ergebnis der (abiturrelevanten) Klausur: ungenügend.

Schon hier bleibt einem die Luft weg ob der Chuzpe der Lehrerin. "Meine" Schulleiterin, die ich ob ihres nüchternen Urteils schätze, meinte nur verkürzend: "Schon wenn der Mensch das Datum richtig schreibt, hat er doch mindestens eine Fünf." Ohne es in den Schulvorschriften nachgeprüft zu haben, behaupte ich: In einem interpretierbaren Fach darf es keine "richtige" oder "falsche" Lösung geben, sondern höchsten eine "angemessene", "nachvollziehbare", "realistische", "gut argumentierte" usw. All das würde ich einem Zweier-Schüler zutrauen. Doch hier ging es offensichtlich um Hopp oder Topp.

Doch es ging noch weiter: Bei der nächsten Klausur fand es die Lehrerin offensichtlich opportun, während die Schüler sich auf die Aufgaben konzentrierten, eine benotete Hausarbeit zurückzugeben. Also schritt sie durch die Reihen, um jedem mit laut hörbarem Schweigen sein jeweiliges Ergebnis um die Ohren zu hauen. Der besagte Schüler hatte eine Fünf. Wenn das kein Lehrbuchbeispiel für Motivation ist.

Der Vater des Delinquenten hat darob eine schlaflose Nacht verbracht - was ich verstehen kann und ihm meine vollste Sympathie einbringt. Man kann ihm nur dringend raten, sich einzumischen. Seinem Sohn kann er offensichtlich nicht mehr damit schaden (obwohl schon diese Überlegung ein bezeichnendes Licht auf die Situation Einzelner angesichts übermächtiger Systeme wirft). Schlimm genug: die Worte "Klage" und "Verwaltungsgericht" werden vermutlich Wunder wirken.

Allerdings nur bezogen auf die Notengebung., denn nur die könnte justiziabel sein. Was ich aber als Ausdruck vorsätzlicher Kaltschnäuzigkeit empfinde, ist die gezielte und perfide Demotivation im zweiten Fall. Bei allem Wohlwollen ist dies für einen Pädagogen absolut inakzeptabel. Die Lehrerin hat sich damit als grundsätzlich ungeeignet für ihren Job erwiesen - schon weil ihr ein Menschenbild zu eigen ist, dass sich mit modernen, aufgeklärten Gesellschaften absolut nicht verträgt. Und zwar indiskutabel. In einem Unternehmen würde sie damit zu einem Sozialfall. Das staatliche System Schule jedoch wird seine schützende Hand noch lange über sie halten, bis eine wirkliche Katastrophe passiert.

Die Vorsehung beschütze uns vor solchen Lehrern. Oder, wie im wundervollen Film von Reinhard Kahl (Treibhäuser der Zukunft) der Leiter den Bodensee-Schule sagt: "Die Lehrer sind schon das Problem"...

Dienstag, 13. Dezember 2011

Demografie und Politik

Den Grundschulen im Lande geht es an den Kragen. In den vergangenen 10 Jahren ist die Zahl der I-Dötzchen um 140.000 oder um 17,3 % gesunken. Ein Grund zur Sorge für Gemeinden wie unsere, die aus vielen kleinen Dörfern bestehen. Denn zahlreiche Schulen rutschen schnell unter die Mindestbelegungszahl und drohen von der Bezirksregierung abgeschossen zu werden. Ein Weiterbetreiben der kleinen Standorte geht zu Lasten der größeren Einheiten.

Die Landesregierung will etwas daran ändern. Das ist zu begrüßen, zumal deren Vorgänger vor dem kommenden Problem eifrig und nachdrücklich die Augen verschlossen haben. (Kennen Sie die drei Affen? Der prominenteste von denen - der im Übrigen seinen Nachwuchs auf eine bekannte Privatschule hier am Ort geschickt hat - kommt aus der Nachbargemeinde). Dazu soll es drei Maßnahmen geben:

1. Kleine Grundschulen sollen gestärkt werden, sie bekommen ein Bestandsrecht vor allem dann, wenn sie die letzte Schule am Ort sind. Um die dörflichen Maibäume werden nun sicherlich Freudentänze aufgeführt.

2. Die Klassenfrequenz soll endlich gesenkt werden. Klassen unter 15 und über 29 Schüler sind künftig unzulässig. Damit wird eine Forderung erfüllt, die seit gefühlten 200 Jahren von Eltern vehement erhoben wird, obwohl ein pädagogischer Nutzen wissenschaftlich bisher nicht nachweisbar ist.

3. Das Problem wird in die Kommunen verschoben. Die Lösung ist ganz einfach: Die Zahl der hoffnungsfrohen Schulneulinge wird durch 23 geteilt, das ergibt die Zahl der erlaubten Klassen. Mehr ist nicht erlaubt. Die kommunalen Schulausschüsse sitzen jetzt vor dem Müllhaufen, der ihnen vor die Füsse gekippt wurde.

Dazu fallen mir zwei Dinge ein: Zum einen wird in den Schulämtern etwa in Dortmund, Essen oder Köln jetzt der Schampus aus dem Kühlschrank geholt, denn in Ballungsgebieten wird der Spagat zwischen kurzen Schulwegen und (wirtschaftlich) optimalen Klassengrößen leicht zu schaffen sein. In ländlichen Gebieten stellt sich schnell die Frage nach Bustransport oder privat organisiertem Schultourismus über etliche Kilometer.

Zum anderen ist die Lösung natürlich schön aus Sicht der Landesregierung. Dort redet man nur über 1.700 zusätzliche Lehrer, von denen (so ganz offen das Ministerium) viele Teil der natürlichen demografischen Rendite sind. Die Kommunen allerdings hängen (erneut) am Fliegenfänger. Denn um eine Schule zu betreiben, genügen Lehrer allein nicht. Man müsste vielleicht auch ein paar Euro in Heizung, Reinigung, Instandhaltung und Ausstattung der Schulgebäude stecken - auch wenn sie klein und schnuckelig sind. Aber das ist ja kein Problem der Landesregierung.

Übrigens, für diejenigen mit dem Kopf im Sand: Alles, was die Grundschulen ereilt, kommt spätenstens vier Jahre später bei den weiterführenden Schulen an. Das Thema wird uns also nicht loslassen, sondern drängender werden. Denn eine Grundschule für 100 Schüler zu schließen ist eine Sache, ein Gymnasium für 1000 Pennäler eine andere.

Samstag, 26. November 2011

Kundenorientierung

Mein Sohn wandelt auf Freiersfüßen. Das ist, wie jeder weiß, mit 14 nicht trivial. Uns freut das, denn mutmaßlich wird er abgelenkt und stabilisiert werden, erfährt wichtige Bestätigungen für seine Persönlichkeit, stärkt sein Selbstvertrauen. Also mit Sicherheit auch für den Rest der Familie eine heraufdämmernde Phase der Entspannung.

Wäre da nicht der Öffentliche Nahverkehr. Seine Angebetete wohnt nach dem Tod ihrer Mutter in einem kleinen Ort, zwar innerhalb des Kreises, aber doch nicht leicht zu erreichen, locker 25 km entfernt. Treffpunkt ist die nahegelegene ehemalige Kreisstadt, ca. 30 km entfernt. Vor zwei Wochen musste ich los, weil der Bus ihn verspätet - nachdem der eigentliche Bus nicht kam - auf halber Strecke herauswarf und umkehrte. Bei Wind und Wetter, ohne Unterschlupf. Heute war er nach einem Umweg über die Kreisstadt (20 km) frühzeitig zurück, weil er sich am Zielbahnhof kalte Ohren geholt hat und - nach der Mitteilung eines mitleideneden Busfahrers, dass der weiterbefördernde Bus heute ausfällt - wieder umkehrte. Was daran am ärgerlichsten war, ist, dass er in beiden Fällen sozusagen am Zentrum des Geschehens saß, nämlich vor den jeweiligen Büros der Verkehrsgesellschaft, die es nicht für nötig befand, wenigstens an den meistfrequentierten Haltestellen einen Hinweis anzubringen.

Ich will mich nicht beschweren. Das Niveau der Dienstleistungen ist hierzulande hoch. Wo ich allerdings deutliche Defizite feststelle, ist die Kundenorientierung. Das gilt für Busunternehmen ebenso wie für Schulen. Wenn ein Laden nur groß genug ist, dann bildet der einzelne Abnehmer kein Problem mehr. Die zwei Prozent, die den Bus nicht bekommen haben oder dem Unterricht nicht folgen konnten, sind dann eine Randerscheinung. Da kann einem wirklich übel werden.

Montag, 17. Oktober 2011

Lernmittelfreiheit ?!

Lernmittelfreiheit ist ein hohes und altes Gut. In manchen Bundesländern hat sie gar Verfassungsrang. Vertraue ich Wikipedia, erfahre ich, dass die Forderung danach aus 1848 stammt, was einen per se vor Ehrfurcht erstarren lässt. Allerdings - auch das eine Form der Erstarrung - scheint seit damals nicht viel bei der Zuweisung der erforderlichen Mittel geschehen zu sein.

In der letzten Sitzung unserer Schulpflegschaft machte unsere Schulleitung die Sackgasse (i.e.: eine der Sackgassen) deutlich, in denen die Schulen stecken. Die Budgets sind knapp, die Eigenanteile der Eltern in NRW gesetzlich gedeckelt, doch will man den Schülern didaktisch etwas Gutes tun, arbeitet man eher mit Arbeitsheften als mit Fibeln. Nur leider lassen sich diese, einmal verwendet, nicht mehr budgetschonend an die nächste Klasse weiterreichen. Bleibt in vielen Fällen nur der Kopierer oder der Förderverein.

Nun ist ersteres in der Regel verboten, zweiteres in meinen Augen schon deshalb bedenklich, weil hier die Öffentliche Hand Aufgaben an ihre Auftraggeber zurück delegiert. Dazu statistische Daten aus erster Hand: Im vergangenen Schuljahr hatten wir für vier Kinder in der Jahrgangsstufen 2 bis 12 insgesamt Ausgaben für im engeren Sinn schulbezogene Dinge von 998,- €. Darin enthalten ist nicht jedes Radiergummi, aber eine (mittelschwere) Klassenfahrt. Statistisch halte ich das bei vier Kindern für normal.

Wenn ich diese Zahlen hochrechne, stelle ich fest, dass ein normales Gymnasium wie dasjenige, das drei meiner Kinder besuchen, etwa 300.000 € (zusätzlich!!) akquirieren muss, um seinen Job meist mehr schlecht als recht zu machen. Eine Stadt wie unsere, knapp 60.000 Einwohner kommt so auf fast 2 Mio €, für die Bundesrepublik kämen locker 3 Milliarden € zusammen. Leistungen von Fördervereinen und Sponsoren sind hier noch gar nicht enthalten. Ich weiß, dass diese Rechnung keiner ernsthaften statistischen Überprüfung standhält. Aber dennoch mag man mir das Aufkommen einer gewissen Übelkeit gestatten.

Sonntag, 11. September 2011

Klassiker

Hat jemand eine Idee, wie man seinem Kind erklärt, warum es sich mit dem Drama "Iphigenie auf Tauris" beschäftigen soll? Bin zwar der Meinung, dass dies eine Aufgabe der Lehrer ist, aber was mache ich, wenn dieser hierzu nicht in der Lage ist? Oder soll ich es so handhaben wie in anderen Fächern, in denen Lehrer auf die Frage: "Warum müssen wir das lernen?" antworten: "Weil sich in irgendeiner Kommission jemand das ausgedacht hat!"

Selbst denken lassen

Wenn Ideologien ins Spiel kommen, hört der Spaß auf. Laut Wirtschaftswoche hat die letzte NRW-Landesregierung einen Modellversuch an Schulen gestartet, bei dem in der 9.Klasse für drei Jahre das Fach "Wirtschaft" zur Pflicht wurde. Angeblich sind alle Betroffenen begeistert, die Wirtschaft ohnehin.

Doch ob der Versuch fortgesetzt wird, steht in den Sternen. Die neue Regierung zeige keine sonderlichen Anstrengungen, die wissenschaftliche Erfolgskontrolle zu unterstützen, und ohne diese wird man am Ende der drei Jahre nicht entscheiden können, ob der Versuch wirklich etwas gebracht hat. Der Grund für die geringe Neigung, die Einführung des Faches voranzutreiben, sind angeblich "politisch-ideologische Scharmützel". Die Sorge linker Politiker sei es, dass das Fach "zur Vermittlung allzu liberalen Gedankenguts genutzt werden" könnte.

Besteht aber nicht in ganz vielen Fächern die Gefahr, das einseitige Positionen vermittelt werden? Wer stellt den sicher, dass in Geschichte, Politik, Erziehungs- und Sozialwissenschaften kein Unsinn erzählt wird? Und wie lässt sich das Fach Religion "ideologiefrei" vermitteln?

Meine Tochter musste sich nun schon mehrmals anhören, dass optimische Menschen nicht an Krebs erkranken, woraus der Schluss gezogen wurde, dass, wer an Krebs erkrankt, kein glücklicher Mensch sei. Wie schützt man seine Kinder vor solchen Lehrern?

Am ehesten doch dadurch, dass man sie zum selbstständigen Denken anleitet. Was wiederum dadurch unterstützt werden kann, dass gerade in den genannten Fächern eben nicht "EINE" Wahrheit verbreitet, sondern dass es durchaus sehr unterschiedliche Auffassungen gibt mit einer Vielzahl von  nachvollziehbaren Argumenten. Wäre Schule nicht ein Ort, wo sich junge Menschen gerade zu kontroversen Themen eine Meinung bilden könnten, wenn man sie nur mal selbst denken lassen würde?  

Rezension zum Thema: 
Einzeller statt Euro, Wirtschaftswoche 33/2011

Dienstag, 26. Juli 2011

Nochmal Schulfrieden

Natürlich hat der demografische Wandel auch unsere Stadt erreicht. Bei den 16- bis 26-jährigen Einwohnern der Stadt werden Rückgänge von bis zu 40 Prozent erwartet. Der Schulausschuss des Stadtrates hat deshalb schon im vergangenen Jahr die Einrichtung eines Arbeitskreises beschlossen, der sich über die Schulentwicklung in der Stadt Gedanken machen soll. Als Elternvertreter habe ich das Vergnügen (?), diesem Arbeitskreis anzugehören. Bisher haben wir über Grundschulen gesprochen und ich habe die Diskussion als offen und unideologisch erlebt. Um die Diskussion über weiterführende Schulen zu starten, wurde bereits vor vier Wochen ein Termin nach den Ferien anberaumt, beschlossen und verkündet.

Heute allerdings lese ich in der Lokalpresse, die Mehrheitsfraktion des Stadtrates habe die Verwaltung darum gebeten, die Vor- und Nachteile der Einrichtung einer Sekundarschule bis zum Schuljahr 2013/14 zu prüfen. Um gleichzeitig klarzustellen, welchen Auftrag diese hätte, nämlich die Herstellung der Ausbildungsreife bis zum 10. Schuljahr, wohingegen das Gymnasium für die Erteilung der allgemeinen Hochschulreife zuständig sei. Wie anders kann ich das denn verstehen, als dass man schon mal medial die eigene Position - und möglichst auch das erwünschte Ergebnis des Arbeitskreises - festklopft. Schulfrieden sieht anders aus.

Zum besseren Verständnis: Eines der beiden Schulzentren unserer Stadt beherbergt u.a. ein Gymnasium, eine Realschule und eine Hauptschule. Keine der drei Schulen ist in den vergangenen Jahren dadurch bekannt geworden, dass sie Schüler abweisen musste. Da hätte ihr Zusammenschluss zu einer Gemeinschaftsschule oder zu einer weiteren Gesamtschule eine Lösung sein können (die einzige Gesamtschule der Stadt ist seit Jahren chronisch überlaufen).

Diese Optionen sind jetzt wohl schon vor Beginn der Diskussion vom Tisch. Ich finde das auch deshalb traurig, weil dem Gymnasium (meiner alten Schule) damit nicht geholfen ist. Denn schon in den vergangenen Jahren konnte man dort die Klassen nur auffüllen, weil Schüler "zwangsverpflichtet" wurden - oft zum Schaden bestehender Grundschulfreundschaften. Ich weiß nicht, ob ich eher resignieren oder Stunk machen soll. Im Moment tendiere ich zum Stunk...

Donnerstag, 21. Juli 2011

Sitzenbleiben

Morgen gibt es in NRW Zeugnisse. Das heißt auch, dass wieder einige Schüler sitzenbleiben werden. In unserem Kreis sind es über alle Schulformen 3,4 Prozent (Wohlgemerkt: pro Jahr, d.h.: der Anteil derjenigen Schüler, denen irgendwann während ihrer Laufbahn gesagt wurde: "Du hast es nicht gepackt" muss um ein Vielfaches höher sein). Ist das alleine nicht beschämend?

Passend dazu fand ich heute in der ZEIT online einen Artikel von Anfang Juli über die Situation in Bayern. Ich habe mal die Daten meiner Heimatstadt mit denen einer etwa gleichgroßen bayerischen Stadt, nämlich Rosenheim, verglichen. Nun kann man Bayer sicherlich nicht mit NRW vergleichen, aber auffällig ist etwa: Wiederholerquote an Gymnasien hier: 1,7 Prozent, in Rosenheim: 4,5 Prozent!

In Bayern sagt man nicht "sitzenbleiben", sondern "durchfallen". Sitzenbleiben ist für mich etwas Statisches: Ich bleibe hier, während die Anderen weitergehen, dann kommen die nach uns, die mich wieder mitnehmen. Durchfallen ist das Gefühl, das demjenigen bevorsteht, der unter einem Galgen steht. Die Wirkung auf den Delinquenten, pardon: den Schüler, kann man so vielleicht nachvollziehen. Bei den online-Kommentaren zu diesem Artikel, von denen viele mich durch ihre bildungsbürgerliche Arroganz zu der Frage veranlassen "wo leben wir eigentlich?" ist meist nicht sehen, woher sie kommen. Ich fürchte nur, dass ein großer Teil unserer Bevölkerung das Sitzenbleiben als etwas völlig normales betrachtet - das war halt schon immer so.

Ist in Zeiten, wo die individuelle Förderung von Schülern mittlerweile auch Gesetzesrang hat das Versagen vor den Anforderungen der Schule wirklich ein Problem der Schüler? Ich kann mir nicht vorstellen, dass besonders viele Schüler nicht lernen wollen und ebenso wenig, dass besonders viele zu dumm sind. Bleibt die Schule, die einen Job zu erledigen hat, den sie offensichtlich zu einem beträchtlichen Anteil nicht erledigt.

Da hätte ich einen Vorschlag: Weiterführende Schulen werden verdonnert, mit ihren Lehrern einen Förderunterricht für versetzungsgefährdete Schüler zu organisieren, und zwar während der ersten beiden Wochen der Sommerferien. Vielleicht könnte man sogar nach den Zeugniskonferenzen beginnen, die merkwürdigerweise immer schon zwei Wochen vor Ende des Schuljahres stattfinden. Wäre mal interessant zu sehen, was aus einer solchen Maßnahme der betrieblichen Qualitätssicherung würde, die jeder Unternehmensmitarbeiter als völlig normal empfände.

Dienstag, 19. Juli 2011

Schulfrieden?

Nordrhein-Westfalen hat endlich den Schulfrieden erreicht. So melden heute die Medien. Der vierzigjährige (oder so) Krieg ist vorbei. Die Ministerpräsidentin spricht von einer "historischen Verständigung". Alle Beteiligten klopfen sich auf die Schulter (nur nicht gegenseitig). Sollte der Kampf schulpolitischer Taliban beider Seiten, den ich beobachte, seit ich eine politische Meinung bilden kann, endlich beendet sein? Na ja, noch in der vergangenen Woche drosch die konservative Presse mit dem Schmähbegriff "Einheitsschule" los (RP 13.7.11). Warten wir ab, was sich ergibt, wenn wir neben allen anderen Schulformen jetzt eine "Sekundarschule" erhalten, allerdings ohne gymnasiale Oberstufe. Und kümmern wir uns drei Tage vor den Sommerferien nicht um die Eltern, die davon ausgegangen sind, dass sie für ihre Kinder mit der Anmeldung an einer Gemeinschaftsschule für das kommende Schuljahr den besten Schritt getan haben.

Was mir dazu einfällt: Ich bin in meinem Leben gelegentlich nach meinem Schulabschluss gefragt worden, sehr selten (meist aus privaten Gründen) nach der konkreten Schule und niemals, wirklich niemals nach der Schulform, die mir mein Abitur beschert hat. Auch meine Erfahrungen als Ausbilder, bei der Einstellung von Jugendlichen und im Gespräch mit verschiedenen Hochschulen zeigen mir: Nach Ende der Schulzeit ist die Schulform, in der man seinen Abschluss gemacht hat, vollkommen wurscht und egal. Nicht allerdings der Abschluss selbst. Warum wird dann so erbittert über Schulformen gefochten, nicht jedoch über Abschlüsse?

Wozu brauchen wir überhaupt ein Schulsystem, geschweige denn sechzehn? Deshalb mein Appell: schafft sie ab, die Schulstrukturen! Schafft ein System von Abschlüssen, meinetwegen nach den Klassen vier, sechs, zehn und zwölf oder sonstwie. Möglichst mit zentralen Prüfinstanzen, die nicht identisch sind mit den Lehrern. Wer könnte dann einer abitionierten Grundschule verdenken, wenn sie sagt: "Wir können auch bis zur Sechsten". Oder einem timiden Gymnasium: "Wir wollen nur Oberstufe"? Was würde geschehen? Die Leute würden mit den Füßen abstimmen, vier Jahre später wäre alles im Lot.

Samstag, 16. Juli 2011

Vandalismus-Prävention

Die brand eins hat einen Artikel veröffentlicht, der uns beide faszifiniert hat. Es geht um eine schwedische Schule, deren Situation sie eigentlich zu einer Katastrophe machen müsste, etwa ein Migrantenanteil von fast 100 Prozent. Dennoch entlässt diese Schule Jahr für Jahr die besten Schüler Schwedens. Einer der simplen Grundsätze: Es wird über bestimmte Regeln nicht diskutiert, dafür bleibt für andere Dinge mehr Zeit.

Einige andere Beispiele lassen sich meines Erachtens auch auf deutsche Schulen übertragen. Deshalb habe ich unserer Schulverwaltung, die sich gegenwärtig mit dem Thema Vandalismus durch Jugendliche auseinandersetzt, vorgeschlagen, in den vielen Schul- und OGS-Kantinen des Ortes kostenlose Mittagessen für Polizisten auszugeben. Welchen Effekt hätte es wohl, wenn regelmäßig (und selbstverständlich!) Ordnungshüter plaudernd zwischen den Kids säßen? Ich bin mir sicher, dass so beiderseits Vorurteile, wenn nicht Feindbilder abgebaut würden. In einer 60.000-Einwohner-Stadt mit 16 Schulmensen sollten sich die Kosten in Grenzen halten.

Gestern bekam ich die Antwort, man werde den Vorschlag "in die Diskussion einbringen". Ich bin mal gespannt. Der Artikel bietet noch mehr...

Freitag, 8. Juli 2011

Immer mehr Unglaubliches

Frage im Unterricht: "Wer hat noch seine Hausaufgabe nicht gemacht?" Alle zeigen auf. "So, euch schreibe ich jetzt alle auf."

Im gleichen Unterricht: "Wer möchte dazu etwas sagen?" Keiner zeigt auf. "Na gut, dann beantworte ich die Frage selbst."

Immer noch im gleichen Unterricht: "So, du verlässt jetzt den Unterricht, mir reicht es." Antwort des Schülers: "Na endlich."

Wir muss sich diese Lehrerin Tag für Tag fühlen, wenn sie "zur Arbeit geht"?

Mittwoch, 6. Juli 2011

Noch mehr Unglaubliches

Eine heftige Diskussion am Mittagstisch: Was sagt man als Vater seinem Kind, das während der gesamten Schulzeit begeistert am Kunstunterricht teilgenommen hat, aber dieses Fach unter keinen Umständen weiter belegen wird, weil sie weiß, welchen Lehrer es dann bekommt? Das vor Wut und Empörung schäumt, weil die Benotung des letzten Objektes überhaupt nicht nachvollziebar ist? Das den Lehrer nach seinen Kriterien gefragt hat, und als er sie nennt, erkennt, dass es alle erfüllt hat im Gegensatz zu Mitschülern, aber der Lehrer sich dann auf den "Gesamteindruck" zurückzieht?

Meine Empfehlung: Beschwere dich offiziell. Lass es dir doch einfach mal nicht gefallen.
Mal schauen, was passiert.

In der gleichen Diskussion, zweites Kind: "Wir hatten Lehrprobe in Sport. Es war furchtbar lächerlich, wie immer wurden wir vorher instruiert, bloß diesmal ganz nett zu sein, brav zu antworten und keinen Unsinn zu machen. Der Unterricht war langweilig, uninteressant, einfach schlecht. Wir haben alle darauf gewartet, dass wir gefragt wurden, wie wir es denn fanden. Hat aber niemand."
Gegenfrage: "Warum habt Ihr nicht selbst was gesagt?" - "Interessiert doch niemanden."

Ist das nur an dieser Schule so? Bleibt einem als Vater nichts anderes als die Empfehlung: "Haltet durch, auch wenn es noch so doof ist. Irgendwann ist es vorbei..." ??

Mittwoch, 29. Juni 2011

Unglaublich

"Dad, du kannst dir gar nicht vorstellen, wie schlecht der Unterricht bei manchen Lehrern ist." - "Doch, kann ich!" - "Nein, kannst du nicht. Oder kannst du dir vorstellen, dass ein Lehrer zwei Seiten aus einem Schulbuch vorliest?" - Schweigen. "Oder dass wir uns einen Text von der Kassette über vierzig Minuten anhören müssen, um anschließend dazu Fragen zu beantworten?"

Nein, ich kann mir nicht vorstellen, dass Schulunterricht so schlecht sein kann. Aber ich kann nachvollziehen, dass jemand ein Fach abwählt aus Angst, solche Lehrer noch ein weiteres Jahr oder länger ertragen zu müssen.

Sonntag, 19. Juni 2011

Videos als Unterrichtshilfen

Gerade entdeckt: In den USA gibt es die Khan Academy, die Videos zu tausenden von Themen produziert und damit auf höchst anschauliche Weise einfachste bis komplizierteste Unterrichtsinhalte erklärt. Angeblich haben Lehrer den Widerstand aufgegeben und nutzen die Videos. Wer sich davon ein Bild machen möchte, finden die Academy hier.

Und ein Beispielvideo:
Gibt es so etwas in Deutsch??

Dienstag, 29. März 2011

Wie vertreibt man "Lern-Lust"?

So geschehen. Frage an den Lehrer: "Was kommt in der Arbeit dran?" Antwort: "Alles von rrr bis zzz." Verblüffung. "Aber yyy und zzz haben wir doch noch gar nicht besprochen?" - "Das machen wir heute." Natürlich reicht die Zeit nicht, also heißt es am Schluss: "Dann lest euch zzz bis zur Arbeit durch." Wunderbar. So motiviert man Menschen.

Passend dazu ein Interview mit einem anerkannten Fachmann für Lernen. Sehenswert.

Sonntag, 6. Februar 2011

Volker Pispers und die Lehrer

Anstelle langer eigener Kommentare - ein Muss für alle, die sich mit dem Thema "Schule" beschäftigen.

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Mittwoch, 2. Februar 2011

Tolle Werbung

In dieser Woche veranstalten zahlreiche Universitäten in NRW die "Woche der Studienorientierung". Schüler, die vor dem Abitur stehen, sollen über Chancen und Möglichkeiten informiert werden: spezielle Veranstaltungen für Schüler finden statt, Vorlesungen werden geöffnet. Das finde ich gut, auch abgesehen davon, dass ich - nicht ganz uninteressiert an Bildungsthemen - erst montags durch einen Bericht des WDR über einen bevorstehenden ministeriellen Besuch an "meiner" Uni davon erfahren habe (und meine Tochter als Schülerin der 12. Klasse in einer benachbarten Stadt gar nicht). Also: Heute morgen bei Eisglätte und dichtem Verkehr zur Uni, damit Töchterchen Vorlesungsluft schnuppern darf. Papa geht derweil in die Unibibliothek, um schlaue Bücher zu wälzen. Um zwanzig vor zehn (da waren die regulären Studenten längst in der Cafeteria) die SMS: "Vorlesung ausgefallen". Außer versäumten Unterrichts also nichts. Mail an die Veranstalter; Antwort: Prüfungsstress.

Wie schräg ist das denn? Wenn ich als Bildungseinrichtung Veranstaltungen für zukünftige Kunden öffne, dann stelle ich in einem solchen Fall doch mindestens einen Hiwi hin, der eine Erklärung und eine Entschuldigung anbietet - oder ich hänge eine Nachricht ans Pinboard. Hier waren drei (!) Lehrstuhlinhaber beteiligt. Da kann mir doch niemand erzählen, dass selbst bei einem Ausfall nicht eine "Abfangveranstaltung" hätte durchgeführt werden können. Was mich am meisten ärgert, ist etwas, was mich schon während meines eigenen Studiums auf die Palme brachte: Die Wurstigkeit gegenüber der eigenen Klientel. Ich schäme mich für meine Uni.

Dienstag, 1. Februar 2011

Unfall

Als meine Kinder heute nach Hause kamen, waren sie etwas durch den Wind. Ich weiß nicht, ob sie vor allem getroffen hat, Lehrer mit Tränen in den Augen zu erleben oder eher das, was sie heute erfahren mussten: Gestern morgen gab es auf der A57 einen schweren Unfall, bei der ein Mensch in seinem Auto verbrannte, nachdem ein Sattelschlepper ungebremst auf einen Stau gebrettert war. Heute wissen wir, das dieser Mensch die Klassenlehrerin einer Parallelklasse meines Sohnes und eine frühere Lehrerin meiner Tochter war. Ich kannte sie aus einer Fachkonferenz. Plötzlich löst sich die Allgemeinheit einer Nachrichtenmeldung in Individualität auf und mündet damit in persönliches Entsetzen. Der Gedanke, der mir durch den Kopf geht, ist: Bin ich dem Menschen gerecht geworden oder habe ich ihn nur als Teil einer Gruppe, der Lehrer eben gesehen. Dass jeder ein Recht auf Individualität hat, wird einem erst in solchen Situationen klar.

Sonntag, 9. Januar 2011

Erziehung outsourcen

Ein Bericht, bei dem es den Leser schüttelt. Eine Erzieherin in einer Berliner Kindertagesstätte erzählt, dass sie es nicht leicht hat. Nein, nicht mit den Kindern. Mehr mit den Eltern. Denn diese betreiben Erziehung wie ihre Karriere. Klingt wie ein Klischee.

Die Kinder stehen unter einem ungewöhnlichen Leistungsdruck. Ihre Eltern sind nicht mehr die jüngsten, in der Regel beide berufstätig und erfolgreich. Ehrgeizig sind sie, auch in Sachen Erziehung. Und die wird outgesourct. Natürlich mit entsprechendem "Service Level Aggreement". Das Gemüse und Fleich soll vom Biobauern stammen. Die Kinder sollen möglichst schon vor der Schule lesen können. Musikalische Früherziehung? Muss sein. Englischkurs? Natürlich. Ein zusätzliches Sportangebot? Der Körper muss auch geschult werden, also werden Sportstudenten engagiert.

Controlling? Aber klar, damit alles mit rechten Dingen zugeht, mischen die Eltern auch mit bei der Einstellung des Personals mit. Alles zum Wohl der Kleinen.

Die Erzieherin hat den Eindruck, dass der Zeitmangel der Eltern durch all diese Maßnahmen kompensiert werden soll. Dafür kommen andere Sachen zu kurz. Das Emotionale zum Beispiel. Keine Zeit zum Kuscheln und Spielen. Und für solche Nebensächlichkeiten wie Laternenumzug sind die Erzieherinnen zuständig. Für das Aufräumen ist das Au-pair-Mädchen oder die Putzfrau, kein Wunder, dass die Kinder sich schwer tun, Grenzen zu respektieren. Aus schlechtem Gewissen lassen die Eltern mehr zu als gut ist.

Mag ja sein, dass die Wahrnehmung einer Erzieherin nur eine Sicht darstellt. Aber wenn die Darstellung nicht ganz schief ist, dann kann man nur hoffen, dass das nicht die nächste "Elite" wird.

Quelle: Brand eins, 12/2010: Das outgesourcte Kind