Dienstag, 26. Juli 2011

Nochmal Schulfrieden

Natürlich hat der demografische Wandel auch unsere Stadt erreicht. Bei den 16- bis 26-jährigen Einwohnern der Stadt werden Rückgänge von bis zu 40 Prozent erwartet. Der Schulausschuss des Stadtrates hat deshalb schon im vergangenen Jahr die Einrichtung eines Arbeitskreises beschlossen, der sich über die Schulentwicklung in der Stadt Gedanken machen soll. Als Elternvertreter habe ich das Vergnügen (?), diesem Arbeitskreis anzugehören. Bisher haben wir über Grundschulen gesprochen und ich habe die Diskussion als offen und unideologisch erlebt. Um die Diskussion über weiterführende Schulen zu starten, wurde bereits vor vier Wochen ein Termin nach den Ferien anberaumt, beschlossen und verkündet.

Heute allerdings lese ich in der Lokalpresse, die Mehrheitsfraktion des Stadtrates habe die Verwaltung darum gebeten, die Vor- und Nachteile der Einrichtung einer Sekundarschule bis zum Schuljahr 2013/14 zu prüfen. Um gleichzeitig klarzustellen, welchen Auftrag diese hätte, nämlich die Herstellung der Ausbildungsreife bis zum 10. Schuljahr, wohingegen das Gymnasium für die Erteilung der allgemeinen Hochschulreife zuständig sei. Wie anders kann ich das denn verstehen, als dass man schon mal medial die eigene Position - und möglichst auch das erwünschte Ergebnis des Arbeitskreises - festklopft. Schulfrieden sieht anders aus.

Zum besseren Verständnis: Eines der beiden Schulzentren unserer Stadt beherbergt u.a. ein Gymnasium, eine Realschule und eine Hauptschule. Keine der drei Schulen ist in den vergangenen Jahren dadurch bekannt geworden, dass sie Schüler abweisen musste. Da hätte ihr Zusammenschluss zu einer Gemeinschaftsschule oder zu einer weiteren Gesamtschule eine Lösung sein können (die einzige Gesamtschule der Stadt ist seit Jahren chronisch überlaufen).

Diese Optionen sind jetzt wohl schon vor Beginn der Diskussion vom Tisch. Ich finde das auch deshalb traurig, weil dem Gymnasium (meiner alten Schule) damit nicht geholfen ist. Denn schon in den vergangenen Jahren konnte man dort die Klassen nur auffüllen, weil Schüler "zwangsverpflichtet" wurden - oft zum Schaden bestehender Grundschulfreundschaften. Ich weiß nicht, ob ich eher resignieren oder Stunk machen soll. Im Moment tendiere ich zum Stunk...

Donnerstag, 21. Juli 2011

Sitzenbleiben

Morgen gibt es in NRW Zeugnisse. Das heißt auch, dass wieder einige Schüler sitzenbleiben werden. In unserem Kreis sind es über alle Schulformen 3,4 Prozent (Wohlgemerkt: pro Jahr, d.h.: der Anteil derjenigen Schüler, denen irgendwann während ihrer Laufbahn gesagt wurde: "Du hast es nicht gepackt" muss um ein Vielfaches höher sein). Ist das alleine nicht beschämend?

Passend dazu fand ich heute in der ZEIT online einen Artikel von Anfang Juli über die Situation in Bayern. Ich habe mal die Daten meiner Heimatstadt mit denen einer etwa gleichgroßen bayerischen Stadt, nämlich Rosenheim, verglichen. Nun kann man Bayer sicherlich nicht mit NRW vergleichen, aber auffällig ist etwa: Wiederholerquote an Gymnasien hier: 1,7 Prozent, in Rosenheim: 4,5 Prozent!

In Bayern sagt man nicht "sitzenbleiben", sondern "durchfallen". Sitzenbleiben ist für mich etwas Statisches: Ich bleibe hier, während die Anderen weitergehen, dann kommen die nach uns, die mich wieder mitnehmen. Durchfallen ist das Gefühl, das demjenigen bevorsteht, der unter einem Galgen steht. Die Wirkung auf den Delinquenten, pardon: den Schüler, kann man so vielleicht nachvollziehen. Bei den online-Kommentaren zu diesem Artikel, von denen viele mich durch ihre bildungsbürgerliche Arroganz zu der Frage veranlassen "wo leben wir eigentlich?" ist meist nicht sehen, woher sie kommen. Ich fürchte nur, dass ein großer Teil unserer Bevölkerung das Sitzenbleiben als etwas völlig normales betrachtet - das war halt schon immer so.

Ist in Zeiten, wo die individuelle Förderung von Schülern mittlerweile auch Gesetzesrang hat das Versagen vor den Anforderungen der Schule wirklich ein Problem der Schüler? Ich kann mir nicht vorstellen, dass besonders viele Schüler nicht lernen wollen und ebenso wenig, dass besonders viele zu dumm sind. Bleibt die Schule, die einen Job zu erledigen hat, den sie offensichtlich zu einem beträchtlichen Anteil nicht erledigt.

Da hätte ich einen Vorschlag: Weiterführende Schulen werden verdonnert, mit ihren Lehrern einen Förderunterricht für versetzungsgefährdete Schüler zu organisieren, und zwar während der ersten beiden Wochen der Sommerferien. Vielleicht könnte man sogar nach den Zeugniskonferenzen beginnen, die merkwürdigerweise immer schon zwei Wochen vor Ende des Schuljahres stattfinden. Wäre mal interessant zu sehen, was aus einer solchen Maßnahme der betrieblichen Qualitätssicherung würde, die jeder Unternehmensmitarbeiter als völlig normal empfände.

Dienstag, 19. Juli 2011

Schulfrieden?

Nordrhein-Westfalen hat endlich den Schulfrieden erreicht. So melden heute die Medien. Der vierzigjährige (oder so) Krieg ist vorbei. Die Ministerpräsidentin spricht von einer "historischen Verständigung". Alle Beteiligten klopfen sich auf die Schulter (nur nicht gegenseitig). Sollte der Kampf schulpolitischer Taliban beider Seiten, den ich beobachte, seit ich eine politische Meinung bilden kann, endlich beendet sein? Na ja, noch in der vergangenen Woche drosch die konservative Presse mit dem Schmähbegriff "Einheitsschule" los (RP 13.7.11). Warten wir ab, was sich ergibt, wenn wir neben allen anderen Schulformen jetzt eine "Sekundarschule" erhalten, allerdings ohne gymnasiale Oberstufe. Und kümmern wir uns drei Tage vor den Sommerferien nicht um die Eltern, die davon ausgegangen sind, dass sie für ihre Kinder mit der Anmeldung an einer Gemeinschaftsschule für das kommende Schuljahr den besten Schritt getan haben.

Was mir dazu einfällt: Ich bin in meinem Leben gelegentlich nach meinem Schulabschluss gefragt worden, sehr selten (meist aus privaten Gründen) nach der konkreten Schule und niemals, wirklich niemals nach der Schulform, die mir mein Abitur beschert hat. Auch meine Erfahrungen als Ausbilder, bei der Einstellung von Jugendlichen und im Gespräch mit verschiedenen Hochschulen zeigen mir: Nach Ende der Schulzeit ist die Schulform, in der man seinen Abschluss gemacht hat, vollkommen wurscht und egal. Nicht allerdings der Abschluss selbst. Warum wird dann so erbittert über Schulformen gefochten, nicht jedoch über Abschlüsse?

Wozu brauchen wir überhaupt ein Schulsystem, geschweige denn sechzehn? Deshalb mein Appell: schafft sie ab, die Schulstrukturen! Schafft ein System von Abschlüssen, meinetwegen nach den Klassen vier, sechs, zehn und zwölf oder sonstwie. Möglichst mit zentralen Prüfinstanzen, die nicht identisch sind mit den Lehrern. Wer könnte dann einer abitionierten Grundschule verdenken, wenn sie sagt: "Wir können auch bis zur Sechsten". Oder einem timiden Gymnasium: "Wir wollen nur Oberstufe"? Was würde geschehen? Die Leute würden mit den Füßen abstimmen, vier Jahre später wäre alles im Lot.

Samstag, 16. Juli 2011

Vandalismus-Prävention

Die brand eins hat einen Artikel veröffentlicht, der uns beide faszifiniert hat. Es geht um eine schwedische Schule, deren Situation sie eigentlich zu einer Katastrophe machen müsste, etwa ein Migrantenanteil von fast 100 Prozent. Dennoch entlässt diese Schule Jahr für Jahr die besten Schüler Schwedens. Einer der simplen Grundsätze: Es wird über bestimmte Regeln nicht diskutiert, dafür bleibt für andere Dinge mehr Zeit.

Einige andere Beispiele lassen sich meines Erachtens auch auf deutsche Schulen übertragen. Deshalb habe ich unserer Schulverwaltung, die sich gegenwärtig mit dem Thema Vandalismus durch Jugendliche auseinandersetzt, vorgeschlagen, in den vielen Schul- und OGS-Kantinen des Ortes kostenlose Mittagessen für Polizisten auszugeben. Welchen Effekt hätte es wohl, wenn regelmäßig (und selbstverständlich!) Ordnungshüter plaudernd zwischen den Kids säßen? Ich bin mir sicher, dass so beiderseits Vorurteile, wenn nicht Feindbilder abgebaut würden. In einer 60.000-Einwohner-Stadt mit 16 Schulmensen sollten sich die Kosten in Grenzen halten.

Gestern bekam ich die Antwort, man werde den Vorschlag "in die Diskussion einbringen". Ich bin mal gespannt. Der Artikel bietet noch mehr...

Freitag, 8. Juli 2011

Immer mehr Unglaubliches

Frage im Unterricht: "Wer hat noch seine Hausaufgabe nicht gemacht?" Alle zeigen auf. "So, euch schreibe ich jetzt alle auf."

Im gleichen Unterricht: "Wer möchte dazu etwas sagen?" Keiner zeigt auf. "Na gut, dann beantworte ich die Frage selbst."

Immer noch im gleichen Unterricht: "So, du verlässt jetzt den Unterricht, mir reicht es." Antwort des Schülers: "Na endlich."

Wir muss sich diese Lehrerin Tag für Tag fühlen, wenn sie "zur Arbeit geht"?

Mittwoch, 6. Juli 2011

Noch mehr Unglaubliches

Eine heftige Diskussion am Mittagstisch: Was sagt man als Vater seinem Kind, das während der gesamten Schulzeit begeistert am Kunstunterricht teilgenommen hat, aber dieses Fach unter keinen Umständen weiter belegen wird, weil sie weiß, welchen Lehrer es dann bekommt? Das vor Wut und Empörung schäumt, weil die Benotung des letzten Objektes überhaupt nicht nachvollziebar ist? Das den Lehrer nach seinen Kriterien gefragt hat, und als er sie nennt, erkennt, dass es alle erfüllt hat im Gegensatz zu Mitschülern, aber der Lehrer sich dann auf den "Gesamteindruck" zurückzieht?

Meine Empfehlung: Beschwere dich offiziell. Lass es dir doch einfach mal nicht gefallen.
Mal schauen, was passiert.

In der gleichen Diskussion, zweites Kind: "Wir hatten Lehrprobe in Sport. Es war furchtbar lächerlich, wie immer wurden wir vorher instruiert, bloß diesmal ganz nett zu sein, brav zu antworten und keinen Unsinn zu machen. Der Unterricht war langweilig, uninteressant, einfach schlecht. Wir haben alle darauf gewartet, dass wir gefragt wurden, wie wir es denn fanden. Hat aber niemand."
Gegenfrage: "Warum habt Ihr nicht selbst was gesagt?" - "Interessiert doch niemanden."

Ist das nur an dieser Schule so? Bleibt einem als Vater nichts anderes als die Empfehlung: "Haltet durch, auch wenn es noch so doof ist. Irgendwann ist es vorbei..." ??