Montag, 26. Dezember 2011

Kaltschnäuzigkeit II

Weihnachtlicher Nachtrag zum Drama:

Nach einem Gespräch mit der stellvertretenden Schulleitung wurde verfügt: Wer besagte Klausur (die mit der Verteilung der Hausarbeiten) wiederholen möchte, könne dies wegen eines Formfehlers tun. Oops, wenn das kein schlechtes Gewissen ist... Bleibt nur zu fragen, ob die Freiwilligkeit der Wiederholung nicht schon wieder ein Formfehler ist.

Anfang des Jahres wird ein Gespräch mit der Schulleitung und der Fachlehrerin stattfinden - zur Erläuterung, vermutlich der Note "ungenügend". Nachdem ich ein wenig in den einschlägigen Richtlinien geblättert habe, hat sich mein Eindruck verstärkt. Ein Schüler, der bisher weder methodisch noch inhaltlich fortgesetzt negativ aufgefallen ist, kann schlechterdings keine Sechs in einer Klausur bekommen - es sei denn, er habe unter geistiger Umnachtung gelitten. Da mir keine derartigen pathologischen Ausfälle bekannt sind, bin ich sicher, dass die Fachlehrerin ihre liebe Not mit der Erläuterung haben wird. Ich bin jedenfalls gespannt.

Freitag, 16. Dezember 2011

Kaltschnäutzigkeit

Heute erfuhr ich eine Geschichte aus dem Bekanntenkreis. Ein junger Mensch, Sohn eines Kollegen, steht kurz vor dem Abitur. Im Fach Deutsch bewegt er sich, intelligent und aufmerksam, aber kein Überflieger, um die Zwei herum. Kürzlich schrieb er eine Klausur, in der es um eine Literaturinterpretation ging. Nun kann man Literatur durchaus unterschiedlich interpretieren - er jedenfalls (wie ein erstaunter Großteil seiner Klasse) - tat dies anders als seine Lehrerin. Das Ergebnis der (abiturrelevanten) Klausur: ungenügend.

Schon hier bleibt einem die Luft weg ob der Chuzpe der Lehrerin. "Meine" Schulleiterin, die ich ob ihres nüchternen Urteils schätze, meinte nur verkürzend: "Schon wenn der Mensch das Datum richtig schreibt, hat er doch mindestens eine Fünf." Ohne es in den Schulvorschriften nachgeprüft zu haben, behaupte ich: In einem interpretierbaren Fach darf es keine "richtige" oder "falsche" Lösung geben, sondern höchsten eine "angemessene", "nachvollziehbare", "realistische", "gut argumentierte" usw. All das würde ich einem Zweier-Schüler zutrauen. Doch hier ging es offensichtlich um Hopp oder Topp.

Doch es ging noch weiter: Bei der nächsten Klausur fand es die Lehrerin offensichtlich opportun, während die Schüler sich auf die Aufgaben konzentrierten, eine benotete Hausarbeit zurückzugeben. Also schritt sie durch die Reihen, um jedem mit laut hörbarem Schweigen sein jeweiliges Ergebnis um die Ohren zu hauen. Der besagte Schüler hatte eine Fünf. Wenn das kein Lehrbuchbeispiel für Motivation ist.

Der Vater des Delinquenten hat darob eine schlaflose Nacht verbracht - was ich verstehen kann und ihm meine vollste Sympathie einbringt. Man kann ihm nur dringend raten, sich einzumischen. Seinem Sohn kann er offensichtlich nicht mehr damit schaden (obwohl schon diese Überlegung ein bezeichnendes Licht auf die Situation Einzelner angesichts übermächtiger Systeme wirft). Schlimm genug: die Worte "Klage" und "Verwaltungsgericht" werden vermutlich Wunder wirken.

Allerdings nur bezogen auf die Notengebung., denn nur die könnte justiziabel sein. Was ich aber als Ausdruck vorsätzlicher Kaltschnäuzigkeit empfinde, ist die gezielte und perfide Demotivation im zweiten Fall. Bei allem Wohlwollen ist dies für einen Pädagogen absolut inakzeptabel. Die Lehrerin hat sich damit als grundsätzlich ungeeignet für ihren Job erwiesen - schon weil ihr ein Menschenbild zu eigen ist, dass sich mit modernen, aufgeklärten Gesellschaften absolut nicht verträgt. Und zwar indiskutabel. In einem Unternehmen würde sie damit zu einem Sozialfall. Das staatliche System Schule jedoch wird seine schützende Hand noch lange über sie halten, bis eine wirkliche Katastrophe passiert.

Die Vorsehung beschütze uns vor solchen Lehrern. Oder, wie im wundervollen Film von Reinhard Kahl (Treibhäuser der Zukunft) der Leiter den Bodensee-Schule sagt: "Die Lehrer sind schon das Problem"...

Dienstag, 13. Dezember 2011

Demografie und Politik

Den Grundschulen im Lande geht es an den Kragen. In den vergangenen 10 Jahren ist die Zahl der I-Dötzchen um 140.000 oder um 17,3 % gesunken. Ein Grund zur Sorge für Gemeinden wie unsere, die aus vielen kleinen Dörfern bestehen. Denn zahlreiche Schulen rutschen schnell unter die Mindestbelegungszahl und drohen von der Bezirksregierung abgeschossen zu werden. Ein Weiterbetreiben der kleinen Standorte geht zu Lasten der größeren Einheiten.

Die Landesregierung will etwas daran ändern. Das ist zu begrüßen, zumal deren Vorgänger vor dem kommenden Problem eifrig und nachdrücklich die Augen verschlossen haben. (Kennen Sie die drei Affen? Der prominenteste von denen - der im Übrigen seinen Nachwuchs auf eine bekannte Privatschule hier am Ort geschickt hat - kommt aus der Nachbargemeinde). Dazu soll es drei Maßnahmen geben:

1. Kleine Grundschulen sollen gestärkt werden, sie bekommen ein Bestandsrecht vor allem dann, wenn sie die letzte Schule am Ort sind. Um die dörflichen Maibäume werden nun sicherlich Freudentänze aufgeführt.

2. Die Klassenfrequenz soll endlich gesenkt werden. Klassen unter 15 und über 29 Schüler sind künftig unzulässig. Damit wird eine Forderung erfüllt, die seit gefühlten 200 Jahren von Eltern vehement erhoben wird, obwohl ein pädagogischer Nutzen wissenschaftlich bisher nicht nachweisbar ist.

3. Das Problem wird in die Kommunen verschoben. Die Lösung ist ganz einfach: Die Zahl der hoffnungsfrohen Schulneulinge wird durch 23 geteilt, das ergibt die Zahl der erlaubten Klassen. Mehr ist nicht erlaubt. Die kommunalen Schulausschüsse sitzen jetzt vor dem Müllhaufen, der ihnen vor die Füsse gekippt wurde.

Dazu fallen mir zwei Dinge ein: Zum einen wird in den Schulämtern etwa in Dortmund, Essen oder Köln jetzt der Schampus aus dem Kühlschrank geholt, denn in Ballungsgebieten wird der Spagat zwischen kurzen Schulwegen und (wirtschaftlich) optimalen Klassengrößen leicht zu schaffen sein. In ländlichen Gebieten stellt sich schnell die Frage nach Bustransport oder privat organisiertem Schultourismus über etliche Kilometer.

Zum anderen ist die Lösung natürlich schön aus Sicht der Landesregierung. Dort redet man nur über 1.700 zusätzliche Lehrer, von denen (so ganz offen das Ministerium) viele Teil der natürlichen demografischen Rendite sind. Die Kommunen allerdings hängen (erneut) am Fliegenfänger. Denn um eine Schule zu betreiben, genügen Lehrer allein nicht. Man müsste vielleicht auch ein paar Euro in Heizung, Reinigung, Instandhaltung und Ausstattung der Schulgebäude stecken - auch wenn sie klein und schnuckelig sind. Aber das ist ja kein Problem der Landesregierung.

Übrigens, für diejenigen mit dem Kopf im Sand: Alles, was die Grundschulen ereilt, kommt spätenstens vier Jahre später bei den weiterführenden Schulen an. Das Thema wird uns also nicht loslassen, sondern drängender werden. Denn eine Grundschule für 100 Schüler zu schließen ist eine Sache, ein Gymnasium für 1000 Pennäler eine andere.