Sonntag, 9. Januar 2011

Erziehung outsourcen

Ein Bericht, bei dem es den Leser schüttelt. Eine Erzieherin in einer Berliner Kindertagesstätte erzählt, dass sie es nicht leicht hat. Nein, nicht mit den Kindern. Mehr mit den Eltern. Denn diese betreiben Erziehung wie ihre Karriere. Klingt wie ein Klischee.

Die Kinder stehen unter einem ungewöhnlichen Leistungsdruck. Ihre Eltern sind nicht mehr die jüngsten, in der Regel beide berufstätig und erfolgreich. Ehrgeizig sind sie, auch in Sachen Erziehung. Und die wird outgesourct. Natürlich mit entsprechendem "Service Level Aggreement". Das Gemüse und Fleich soll vom Biobauern stammen. Die Kinder sollen möglichst schon vor der Schule lesen können. Musikalische Früherziehung? Muss sein. Englischkurs? Natürlich. Ein zusätzliches Sportangebot? Der Körper muss auch geschult werden, also werden Sportstudenten engagiert.

Controlling? Aber klar, damit alles mit rechten Dingen zugeht, mischen die Eltern auch mit bei der Einstellung des Personals mit. Alles zum Wohl der Kleinen.

Die Erzieherin hat den Eindruck, dass der Zeitmangel der Eltern durch all diese Maßnahmen kompensiert werden soll. Dafür kommen andere Sachen zu kurz. Das Emotionale zum Beispiel. Keine Zeit zum Kuscheln und Spielen. Und für solche Nebensächlichkeiten wie Laternenumzug sind die Erzieherinnen zuständig. Für das Aufräumen ist das Au-pair-Mädchen oder die Putzfrau, kein Wunder, dass die Kinder sich schwer tun, Grenzen zu respektieren. Aus schlechtem Gewissen lassen die Eltern mehr zu als gut ist.

Mag ja sein, dass die Wahrnehmung einer Erzieherin nur eine Sicht darstellt. Aber wenn die Darstellung nicht ganz schief ist, dann kann man nur hoffen, dass das nicht die nächste "Elite" wird.

Quelle: Brand eins, 12/2010: Das outgesourcte Kind

2 Kommentare:

  1. Eine Bekannte von mir hat deshalb Ihren Job als Erzieherin aufgegeben. Nicht die Kinder sondern die Eltern waren bereits damals das Problem.

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  2. Die Eltern, die solchen Druck machen, haben sich schon entschieden: sie geben dem Leistungsdruck nach und formen Ihre Kinder auch demensprechend. Hinter diese Eltern steht wahrscheinlich eine noch größere Masse von Eltern, die völlig gespalten sind, zwischen der Notwendigkeit, Kinder früh und ständig zu mehr Leistung zu pushen (denn nichts anderes fordert die Gesellschaft von ihnen später - gibt es doch inzwischen Artikel über Burnout bei Busfahrern oder Kassiererinnen: niemand wird geschont) und dem Wunsch, ihnen eine schöne, sorgenfreie Kindheit zu gönnen. Ich glaube, es sind relativ wenige Eltern, die konsequent nur kleine Dosen Leistungsdruck an ihren Kindern dran lassen und sich dabei wohl fühlen.

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