Montag, 14. September 2009

Ansprechbar

Erste Sitzung der Klassenpflegschaft im Schuljahr: Stundentafel, Projekte, Klassenkasse, Telefonliste... Uhps, da war es wieder: "Ja, meine Telefonnummer steht auch drauf", sagt der Klassenlehrer, "aber nur für den Notfall." Und was ist denn ein Notfall? "Ich habe den Beweis heute morgen nicht verstanden, könnten Sie noch mal..." ist für einen Schüler sicher ein Notfall. Aber wert, den heiligen Feierabend des Pädagogen zu unterbrechen? So war das sicher nicht gemeint. Gemeint war wohl eher: Was nach der letzten Stunde geschieht, ist mein Privatleben.

Hallo? In einer Zeit, in der bei jedem Angestellten oberhalb des Büroboten fast permanente Erreichbarkeit vorausgesetzt wird, leistet sich jemand solch demonstrativen Eskapismus**? Wie weit geht denn da die Identifikation mit dem Job (von Aufgabe will ich gar nicht erst sprechen)? Wo bleibt den die Chance für ein Zwiegespräch zwischen Schüler und Lehrer abseits der Tribünen Klassenzimmer oder Schulkorridor?

Der eifrige Branchenverband Bitcom würde jetzt rufen: Blackberries für alle Lehrer, vergäße aber beim Händereiben, dass Händeschütteln vielleicht nutzbringender ist. Für mich liegt die Lösung eher in einer vernünftigen Ganztagsschule, die Begegnung und Gespräch, Spiel und Spaß ebensoviel Raum einräumt wie dem Lernen. Natürlich unter Anwesenheit und Ansprechbarkeit der Lehrer.

Das geht nicht in unseren Schulgebäuden. Dort bewegen sich unsere Lehrer, wenn sie nicht im Klassenzimmer sind, in Multifunktionsräumen, die gleichzeitig Pausenhof, Besprechungsraum, Lounge, Kantine, Umkleideraum, Postbüro und Stillarbeitsraum darstellen. Die Einführung einer Ganztagsschule führt - hinsichtlich der räumlichen Ausstattung - nahezu ausschließlich zu Dikussionen über Schülerkantinen. Für mich ist das ein Verstoß gegen das Arbeitsrecht. Wenn man Lehrern einen vernünftigen Arbeitsraum in der Schule bereitstellte, würden sie nach Unterrichtsende wahrscheinlich auch nicht panisch aus dem Gebäude fliehen.
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** Besagter Klassenlehrer ist es übrigens, dessen gepacktes Wohnmobil am letzten Schultag vor den Ferien immer auf dem Lehrerparkplatz zu finden ist...

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