Sonntag, 6. September 2009

FACH-Didaktik

Unser Viertklässler wird sich in diesem Schuljahr im Sachunterricht mit den Römern beschäftigen. Oder mit den Ägyptern, das ist noch nicht ganz klar. Eine solche Beliebigkeit in der historische Bildung ist bei einem politisch aufgeklärten Mensch, für den ich mich halte, zumindest ein Grund zur Irritation. Aber gut: Geschichte hat in der Grundschule einen exemplarischen, wenn nicht anekdotischen Charakter. So viel habe ich in zehn Jahren gelernt. Was fängt ein Zehnjähriger mit Wissen über die Zeit der Pharaonen an, außer dass er die Erkenntnis gewinnt, dass man auch anders leben kann?

Ein Schuljahr später wird aber dieser Zusammenhang zu einem Ärgernis. Kaum im Gymnasium angekommen, werden unsere Kinder auf die Steinzeit zurück geworfen und dürfen sich dann vorarbeiten – unser Siebtklässler ist nun bei den Kreuzzügen angekommen. Wenn ich nachbohre, was denn hängen geblieben sein mag, kommen ein paar Fakten, doch Zusammenhänge, gar mit unserer Lebenswirklichkeit können nicht gefördert werden. Das Fach folgt, wie leider alle Fächer, einer Fachdidaktik mit der Betonung auf FACH. Didaktisch sinnvoll scheint mir der Lehrplan nicht.

Eine der ehernen, von niemand bezweifelten Grundregeln für jeden Trainer in der Weiterbildung lautet: Man soll seine Teilnehmer dort abholen wo sie stehen. Funktioniert nicht immer, doch selten wird diese Weisheit so bewusst ignoriert wie in der Schule. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Kinder fragen, was denn die Ursachen des Römischen Bürgerkrieges waren oder worin die Besonderheiten einer feudal verfassten Gesellschaft bestanden. Was Kinder aber wissen wollen sind Dinge, die zum Beispiel mit der Vergangenheit von Oma und Opa zusammenhängen. Es könnte doch einfach sein, rückwärts vorzugehen, das Fach von der Erfahrung und den Fragen der Schüler her aufzurollen statt vorwärts, also von den Erfahrungen der längst Gestorbenen her.

Lehrpläne aber folgen der Logik des Faches, nicht den Fragen der Schüler. Die Schule wird die Frage, warum denn Oma (die jetzt 80 wird) seit ihrer Kindheit nicht mehr dort war, wo sie geboren wurde, bestenfalls nach drei bis vier Jahren Gymnasium beantworten. Bis dahin haben viele ihre Fragen wieder vergessen. Kann es nicht sein, dass Schule häufig so wenig Interesse bei denen weckt, die sie erdulden müssen, weil sie ihnen auch inhaltlich so fern ist? Weil Lehrpläne nie vom Schüler her gedacht werden? Und ist das nicht eigentlich in allen Fächern so? Ich kann mich erinnern, dass ich immer dann von Lehrern begeistert war, wenn diese mein Interesse wecken konnten. Wecken, weil es schon da war und die Lehrer das gemerkt haben.

Zum Glück ist nicht alles verloren: Zu den Dingen, die der Viertklässler in diesem Schuljahr erleben wird, gehört auch eine Rallye durch unseren Stadtteil. Dabei müssen die Schüler in Gruppen Fragen zu überall sichtbaren Artefakten bearbeiten. Dabei lernen sie viel über die Geschichte dessen, was sie täglich umgibt – und das mit Spaß. Die Rallye wird übrigens nicht von Lehrern veranstaltet, sondern von Mitgliedern des rührigen Heimatvereins...

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